Über mich und meine Bilder

Fotoportrait Alexander Krock

 

„Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, ...“
Genesis, Altes Testament, Erstes Buch Mose

Seit Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema der Brüchigkeit unserer Natur und Zivilisation. Schon als kleiner Junge zog es mich entgegen aller Widerstände zu den unheimlichen und makabren Sujets und ich erdachte mir gruselige Gestalten, die ich entweder malte oder zeichnete. Die Darstellungen gingen mir gut von der Hand und bereits in meiner Jugend vernahm ich das mächtige Grollen im Hintergrund meiner Fantasien und ihrer Entwürfe. 

Bilder zogen mich immer an, ich spürte früh die von ihnen ausgehende Kraft auf unsere Gefühle und unser Denken und besonders die Themen aus dem Horrorgenre entfachten in mir eine bis heute anhaltende Begeisterung. Ich bin fasziniert von der bunten Trivialität dieser Richtung in Film und Literatur und erkenne die verborgenen, gerne von uns verdrängten Realitäten in ihren plakativen Umsetzungen.

Dem Bösen haben wir längst aufgrund der irrationalen Dimension seine Bedeutung und seinen Ausdruck abgesprochen und verneinen in unserem Kulturkreis seine Kraft. Aber ich versichere Ihnen: Es gibt den Drachen! Sein Atem kann mit Leichtigkeit viele aufsaugen und schlucken. Erst in den jeweiligen Situationen offenbaren sich die Facetten unserer Natur. Vor allem die Unbekannten, die wir in uns selbst nie vermutet hätten, überraschen uns und stoßen zuweilen mit Wucht unser idealisiertes Selbstbild um.

Über die Jahre habe ich meine Ideen in verschiedenen Techniken erarbeitet und umgesetzt. Ursprünglich aus der Zeichnung kommend, befasste ich mich lange mit dem Tiefdruck. Dem folgten die Serigrafie, Malerei und Fotografie, um mich gegenwärtig wieder auf das Zeichnen zu konzentrieren. Die Intimität von Papier und Stift ermöglicht mir ein sensibles Eindringen in die Ebene von Körperlichkeit und Geist. Mittlerweile bin ich auch auf das Schreiben gestoßen und befasse mich mit einem Kapitel aus der jüngeren deutschen Geschichte.

Meine Bilder handeln von monströsen und erschreckenden Ereignissen und ihrem Einfluss auf die Phantasie. In einer Siebdruckreihe habe ich z. B. alte Familienfotos zeichnerisch überarbeitet und mit den Deformationen verdrängter Erlebnisse konfrontiert. Die Serie „Fair“ zeigt Gewaltopfer anhand von Polizeifotos, deren Körper sich zwischen dem Schrecken der Tat bei gleichzeitig totaler Anonymität bewegen. Die vermeintlich Anteil nehmenden Sprüche in roter Schrift, zum teil bekannte und engagierte Slogans, verkommen im Angesicht der Austauschbarkeit vieler Schrecken zu leeren bis zynischen Phrasen.

Für eine Fotoserie habe ich über einige Jahre in Folge das ehemalige KZ Auschwitz in Polen besucht. Die Fotos zeigen das Lager in seiner heutigen Form als Gedenkstätte und zugleich unheimlichen Anziehungspunkt für viele Menschen aus der ganzen Welt. Die Wirkung der Zeit auf einen derartig besonderen Ort und das Verhalten seiner Besucher, stehen als Fragestellung im Zentrum meiner Arbeit, ohne die aufkommenden Brüche und möglichen Widersprüche denunzieren zu wollen.

In einigen Serigrafien und Radierungen findet sich das Hakenkreuz, dessen zeitgenössische Verwendung beunruhigende Fragen und Emotionen aufwirft. Auch eine künstlerische Nutzung derartiger Zeichen ist fraglich und hinterlässt bei vielen Betrachtern, auch bei mir selbst, ein verunsicherndes Gefühl.

Über meine Formen suche ich nach dem Gesicht des Schreckens und der Erkenntnis. Mit Stift oder Pinsel ringe ich nach dem Ausdruck, setze Gedanken und Gefühle in Linien und Fragmente um, aus denen schließlich Bilder entstehen. Es ist der bekannte aber schwer zu fassende Moment, in dem es uns wie Schuppen von den Augen fällt und wir in das und gleichzeitig anblickende Antlitz der Wahrheit schauen.

Über den realen Schrecken hinaus, ist für mich die Erschaffung meiner Bilder mit der Suche nach der richtigen Akzentuierung, ein echtes Faszinosum. Ein bekannter deutscher Dichter hat das Schaudern als besten Teil im Menschen bezeichnet. Abseits der manchmal bestürzenden Hintergründe, ist die Beschäftigung mit dem Schauder Teil eines Emanzipationsprozesses, dessen Auseinandersetzung uns die Freiheit der Begegnung mit dem Fremden in uns selbst und seiner Erforschung schenkt.